Der Inzest und das Inzestuelle
Aus dem Französischen von Erwin und Joëlle Landrichter
Dafür prägt Racamier den Begriff des »Inzestuellen«. Das Inzestuelle ist ein transgenerationeller Übergriff, verwurzelt in einer fehlgeleiteten, nicht enden wollenden narzisstischen Verführung seitens eines Elternteiles. Es kann sehr verschiedene Formen annehmen: vom Fehlen von Scham und Intimität (keine Türe vor dem Badezimmer, die Kinder teilen das Bett der Eltern usw.) über die Verhinderung jeder autonomen Entwicklung des Kindes bis hin zu physischen Handlungen von extremer Gewalt – denn das Inzestuelle macht im wahrsten Sinn des Wortes verrückt.
»Das Inzestuelle bezeichnet daher das, was im psychischen Leben ... von einem nicht phantasmierten Inzest geprägt ist.«
Als Gegenteil des »Ödipus«, als unglückseliges Derivat der narzisstischen Verführung und des »Antödipus« – ein in diesem Buch genau beschriebener Terminus –, als Bindeglied von Psychose und Perversion ist das »Inzestuelle« der letzte Baustein im Werk Racamiers, sowohl in therapeutischer als auch theoretischer Hinsicht.